Etwas betrachten

Beim Papst klingelt das Telefon: “Hier Papst, hallo.” “Hallo, hier spricht Gott. Hör zu: Ich habe es satt. Ständig diese Streitigkeiten wegen der verschiedenen Religionen, Terroranschläge, Kriege – all das. Ab jetzt gibt es nur noch eine Religion.” “Halleluja, das ist wunderbar!” “Wart’s ab: Verkünden wird sie Martin Bruns aus Hannover-Badenstedt.” Gott legt auf. Der Papst ist etwas irritiert und ruft den Oberrabbiner in Jerusalem an. “Ja”, sagt der, “bei mir hat er auch angerufen und dasselbe erzählt.” Sie vereinbaren, die Führer aller Religionen anzurufen, den Großmufti, den Dalai Lama usw. Sie alle bestätigen, denselben Anruf erhalten zu haben. Was bleibt ihnen anderes übrig, als sich in Badenstedt zu verabreden und Martin Bruns aufzusuchen? Sie treffen sich also einige Tage später an der Stadtbahnhaltestelle Soltekamp, fahren noch zwei Stationen mit dem Bus und besuchen Martin Bruns. Der spricht durch die Gegensprechanlage zu ihnen und möchte sie nicht hereinbitten, weil er – wie üblich – nicht aufgeräumt hat. Er hat ein Alkoholproblem. “Meine Herren”, sagt er, “wenn jemand zu ihnen spricht und behauptet, er wäre Gott, sollten sie ihm das nicht glauben.” Er wünscht eine gute Heimreise, hängt den Hörer ein und sucht in den Sofaritzen nach verlorenem Kleingeld für eine Flasche Bier.

Soll ich mal von den Zweifeln berichten, die mich vor allem dann befallen, wenn ich mich leidenschaftlich und hingerissen einer selbstgestellten Aufgabe widme, deren Erledigung sehr lange dauert und deren Ergebnisse ich also erst in mittelferner Zukunft präsentieren können werde? Lieber nicht. Sonst aber gibt es gar nicht so viel zu berichten, ich bin fleissig und die Zeit verstreicht ereignislos, das Leben geht dahin.

Also etwas zur Betrachtung. An einem glücklichen Tag habe ich ein unvergessliches Gespräch mit der Bildhauerin Chistiane Wartenberg geführt, in dem es u.a. um das Einnehmen verschiedener Standpunkte beim Betrachten von etwas ging. Nun habe ich 24 Zeichnungen angefertigt, auf denen immer dieselbe Architektur aus jeweils um 15° verändertem Blickwinkel dargestellt ist. Zwölf dieser Illustationen, jede zweite, also 30°-Intervalle, habe ich für euch in einer animierten Datei zusammengefasst und wünsche beim Betrachten viel Vergnügen.

Jahresgabe 2015

Etwas paradox finde ich, dass man nun das ganze Ensemble in einer Rundumsicht betrachten kann, ohne jedoch seinen eigenen Standpunkt zu verändern. Ich befürchte sogar, dass die allermeisten von euch augenblicklich noch nicht einmal stehen, sondern wahrscheinlich eher still und stumm sitzen. Verändern wir nicht alle viel zu selten unseren Standpunkt und damit auch unsere Perspektive, den Blick auf die Dinge und das Leben?

Musikalisch begleitet mich z.Z. vor allem Candy Dulfer, deren musikalischen Esprit ich an dieser Stelle bewerben möchte.

Weiterführende Stöbereien, falls ihr euch für die obigen Illustrationen interessiert, lohnen sich über Tadashi Kawamata und Christiane Wartenberg. Die Zeichnungen sind natürlich auch verkäuflich, bei diesbezüglichem Interesse meldet euch gerne.

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