Vorbilder I

In alten Fotoalben zu stöbern sorgt oft für Gefühlswallungen unterschiedlichster Art. Während der eine zu Tränen gerührt ist, weil er sich mit Hilfe der Fotos Situationen der eigenen Vergangenheit ins Gedächtnis ruft, amüsiert sich der nächste vielleicht über die modischen Schrullen der Zeit oder der Protagonisten, wieder ein anderer staunt über inzwischen sichtbar vollzogene Stadtentwicklung, die Gestaltung von Fahrzeugen, Werbetafeln, Tischgeschirr usw. Mich interessiert meist vor allem die Präsentation des gesamten Fotoschatzes wie der Einzelbilder, Alterungs- und allgemeine Gebrauchsspuren, altersbedingte Farbveränderungen und Bildaufbau. Zackenränder, runde Ecken, Befestigungsspuren wie Klebefilmreste, Stecknadel- oder Reisszweckenlöcher, Unschärfen, zeitbedingte Bildinhalte, z.B. zeitgenössische technische Neuerungen u.v.m.

Welchen Informationsgehalt haben diese Bildeigenschaften, wie kann ich sie kopieren und auf meine Bilder anwenden, welche Bildaussagen kann ich mit diesem Obsolenszenzvokabular artikulieren?

Insbesondere für die Darstellung von Zukunftsvisionen finde ich die zeitliche Betrachterverortung sehr entscheidend: Es ist eben ein gravierender Unterschied, ob der Betrachter einen Blick aus der Gegenwart in die Zukunft wirft, oder ob er diesen Blick aus einer noch ferneren ‘Futur-II’-Position auf eine dann bereits zurückliegende Zeit wirft …


Sieben bildhafte Wald-und-Wiesen-Alterungsvokabeln – einfach anklicken

Gern gehört:
Clara Luzia – Sinnerman



3 Kommentare

  1. artist wrote:

    Wie wohltuend war die Zeit, als man die wichtigen Momente im Leben ablichtete und sich Mühe gab beim
    Platzieren im Album. Heute “erledigt” dies unser Android. Bietet der Speicher nicht mehr genügend Platz, löschen wir, was ohnehin nicht gelungen war oder aus welchem Grund auch immer.
    Irgendwann wird das Gerät, weil nicht mehr zeitgemäss, entsorgt und mit ihm das Bildmaterial.
    Das passt in unserer kurzlebige Zeit. Trist, nicht wahr?

  2. FrauKe wrote:

    Sehr poetisch, diese alternden Wald-und-Wiesen-Fotografien … ich übernehme gern Deinen Ausdruck, weil er mir sie besser zu beschreiben scheint als ‘Landschaften’.

    • J. Adorf wrote:

      Von Dir zu lesen, freut mich sehr: dankeschön! Ich kenne vielleicht 1 1/2 Menschen, denen – ausser mir natürlich – diese Bilder nicht zugemutet werden müssen, sondern denen sie sogar gefallen, und einer davon bist Du. :-)
      Ich wusste gar nicht, dass Du mich hier besuchst …