Blind tun

Vor nicht allzu langer Zeit fing ich an, mich an eine Begebenheit zu erinnern, die mich – zunächst sporadisch, dann kontinuierlicher – zu beschäftigen begann. Diese Erinnerung ist nach wie vor bruchstückhaft, erscheint mir in ihrer monströsen Ungeheuerlichkeit aber so unwirklich, als hätte nicht ich sie erlebt, sondern ein anderer.
Wir waren zu dritt und wollten wohl ermitteln und erfahren, wie man als jemand ohne Augenlicht bzw. in Begleitung eines so eingeschränkten Menschen fühlt, wie man behandelt wird. Ich setzte mir eine Brille auf, deren Gläser ich rückseitig geschwärzt hatte, allerdings gab es mittig in jedem Brillenglas einen kleinen Punkt, durch den ich – zwar etwas mühsam, aber immerhin ein klein wenig – schauen konnte. So besuchten wir zu dritt eine heute nicht mehr existierende Diskothek, wo aber nichts Bemerkenswertes aufgrund unseres Erscheinens passierte. Ich ließ mich durch das Lokal führen, ich rempelte ‘versehentlich’ den einen oder anderen ‘starken Mann’ an, wir entschuldigten uns usw.
Rückblickend fände ich selbst diese Episode völlig unbedeutend, wenn nicht die weiteren Lebensläufe von uns dreien wären: Einer ist Kameramann geworden, einer Schauspieler, einer Fotograf  – wir fühlen uns also zu Tätigkeiten berufen, die eng mit dem Betrachten bzw. dem Betrachtetwerden zusammenhängen.

Kannst Du diese doch sehr merkwürdige Idee nachempfinden, verstehen, erklären – besser vielleicht als ich selbst?

Heute, so kommt es mir gelegentlich vor, erwecke ich bzw. meine Bilder den eher gegenteiligen Eindruck, als könnte ich nämlich ganz besonders gut sehen, aber – und das ist das Erstaunliche – die meisten meiner Bildideen entstehen mit geschlossenen Augen. Im Schlaf, im Traum, angeregt durch Geräusche, Musik, Erinnerungen.

Blind tun

Für die Ohren: Bush – Communicator

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2 Kommentare

  1. Maria wrote:

    sehr inspirierend….

    und irgendwie schmerzhaft

    bei dir gibt es eine welt, in der ich gerne immer abtauchen würde,….. es aber nicht kann…weil ich überleben muss hier draußen

    • J. Adorf wrote:

      Maria, ich könnte ‘hier draussen’ gar nicht überleben, ohne zwischendurch immer wieder in Parallelwelten abzutauchen – manchmal sind sie geheimnisvoll, düster, mystisch, manchmal aber auch die fröhliche Übertreibung einer trivialen Existenz (s. ‘Liebesbeweis’). :-)