Scheisstag: Fliegen

So langsam neigt er sich dem Ende zu, der ‘Tag der Arbeit’. Genauso lang wie ein gewöhnlicher Sonntag, aber doppelt so tot. Und das Wetter war echt beschissen. “Think pink”, habe ich mir um 05:30 Uhr bei strömendem Regen vorgenommen, “sonst wird das heute nix.” Ich hatte grosse Pläne. Viereinhalb Stunden später habe ich mich der Realität gebeugt und mich wieder ins Bett begeben, zwei Bücher zu Ende gelesen (Feridun Zaimoglu – Koppstoff, Arne Jysch – Wave And Smile), einen Film geschaut (Lars von Trier – Dancer In The Dark), ein bisschen Papierkram erledigt. Zum Schlafen war ich leider zu wach und hatte ausserdem Sorge, einen eventuellen Wetterumschwung – hin zum Besseren – zu verpassen.

Ein lokaler Podcast, in dem zwei offenkundig Ortsfremde penetrant behaupteten, durch Linden-Süd, einen hannoverschen Stadtteil, zu gehen, während sie tatsächlich durch Linden-Mitte marschierten, trug auch nicht unbedingt zur allgemeinen Aufheiterung bei. Nur zur Information: Linden-Nord, -Süd und -Mitte sind vollkommen unterschiedliche Kulturkreise, und die Bewohner von zumindest zwei der drei Stadtteile nehmen für sich mit Vehemenz in Anspruch, Bewohner des ‘wahren’ Linden zu sein. Die Verwechslung ist also keine Bagatelle und wäre auch durch einen einfachen Blick in den Stadtplan zu vermeiden gewesen. Aber geschenkt.

Mehr schlecht als recht habe ich also versucht, die Zeit, den Tag totzuschlagen, und dabei hat mich eine Fliege genervt, die – wie alle Fliegen zu blöd, um die Tür zu finden – nicht aufhören wollte, ihren Kopf vor’s Fenster zu schlagen. Sobald ich einen Flügel geöffnet habe, wählte sie einen anderen. Hilfsweise also habe ich sie erschlagen. Natürlich blieb sie am Fenster kleben, und bei genauerer Betrachtung fand ich ihre Sterbepose ganz reizend. Der Versuch, sie fotografisch festzuhalten, führte dann zu einem Ergebnis, was den Tag zwischenzeitlich etwas erfreulicher erscheinen liess. Fenster hätte ich putzen können – aber wozu? ;-)


Der weitere Tagesverlauf rechtfertigte diesen Euphorieanflug aber nicht. Ein Vimeo-Fotografen-Interview, die Mai-Ausgabe des View-Spotlights und meine beiden Lieblingsphysikbücher sind nicht das, was ich mir unter einem erfüllten Tag vorstelle.

Fast vergessen: Im letzten Post habe ich mich zu Ausstellungsprojekten geäussert. Liebe Ärzte, Anwälte, Steuer- und Anlageberater, ja, ich behänge auch gern Eure Praxen- und Kanzleiwände mit meinen Bildern bzw. freue ich mich, wenn Ihr das tut, aber Ihr müsst sie – die Bilder, nicht die Wände – vorher kaufen bzw. leasen. Ich weiss, dass es eine Ärzte-, Anwälte- und Steuer-/Anlageberaterschwemme gibt und es auch Euch sehr schlecht geht, aber das macht Eure Räumlichkeiten noch lange nicht zu ‘reinen Austellungsräumen’.

Habt Ihr heute was Schönes gemacht, gab es etwas Berichtens- oder Vorzeigenswertes? Schreibt bzw. zeigt es in einem Kommentar hier unten.

Jetzt ist es 21:05 Uhr, ich hab’s geschafft: Müde bin ich, geh’ zur Ruh’ … Gute Nacht!



4 Kommentare

  1. artist wrote:

    Bevor ich den Text las, dachte ich, oh…eine Fliege auf dem Drahtseil :-).

    Als Kind malte ich mir immer eine Sonne ans Fenster, bei Depriwetter.
    Heut tut’s eine Tafel Schokolade, in Verbindung mit einem Film in leuchtenden Farben.
    So war es am 1. Mai.
    LbGr

    • J. Adorf wrote:

      Die Idee, eine Sonne ans Fenster zu malen, ist grandios. Warum wusste ich das gestern noch nicht? :-)
      Dankeschön für Deine Schilderung!
      Die schokoladenbedingten Glücksgefühle sind mir persönlich zu flüchtig, aber den Reflex empfinde ich durchaus auch …

  2. Hanni wrote:

    Also, ich finde die Sterbepose auch reizend – in der FC hättest du bei Veröffentlichung aber schon die ersten Mahner am Hals, wegen Pietätlosigkeit und so….. Ich bekam jedenfalls bei meiner toten Wespe diesbezügliche Zurechtweisungen per QM – dabei hatte ich sie noch nichtmal selbst erschlagen, das käme hier noch erschwerend hinzu……. Jedenfalls passt das Bild vorzüglich zur Schilderung des Tages – es gibt so Tage und man könnte sie nicht besser auf den Punkt bringen!

    LG Hanni ;-)

    • J. Adorf wrote:

      Ach wie schön, etwas von Dir hier zu lesen! Zum Glück taugt die fc als moralische Instanz nur sehr bedingt, und außerdem reklamiere ich mildernde Umstände, weil ich wirklich mehrfach versucht habe, der Fliege einen Ausweg zu öffnen.
      Ich kann mich an ein fc-Foto erinnern, auf dem ein Stier mit geöffneter Kehle zu sehen war, aus der das Blut nur so sprudelte. Unter diesem Foto gab es auch einen Sturm der Entrüstung, aber vor allem hatte es sagenhafte Zugriffszahlen …
      Auf solche, wie beschriebenen Tage könnte ich übrigens gut verzichten, aber leider schleichen sie sich ganz gelegentlich in mein Leben. Aber immer noch besser als jeden Tag Frohsinn! ;-)
      Viele Grüße, Jürgen